„A world where people
are born in the clinic
and die in
hospital, where transit points and temporary abodes are proliferating
under luxurious or inhuman conditions (hotel chains and squats, holiday clubs
and refugee camps, shantytowns threatened
with demolition or doomed to festering longevity) ; where a
dense network of means of transport which are also inhabited spaces is
developing; where the habitué of supermarkets
slot machines and credit cards communicates wordlessly, through
gestures, with an abstract, unmediated commerce; a world thus surrendered to
solitary individuality, to the fleeting, the temporary and ephemeral, offers
the anthropologist (and others)
a new object, whose unprecedented dimensions might usefully be
measured before we start wondering to what sort of gaze it may
be amenable.“ (Marc
Augé. Non-Places)
Frankfurt
Flughafen.
Das erste Mal tat er es aus purer
Langeweile. Nach einer viel zu langen Schicht im gelblich beleuchteten Parkhaus
des Flughafens hatte er sich ein überteuertes Bier gekauft. Während er noch
überlegte, wie er die dauerhaft unfreundliche, auf ihren Plastiknägeln kauende Verkäuferin
flachlegen könnte, fiel seine
Aufmerksamkeit auf einen weißen Flügel, der Mitten in der Wartehalle stand. Und
er tat es. Setzte sich einfach an diesen weißen, kitschig lackierten Flügel mit
Werbeschild für irgendeine Kreditkarte, „Die Welt ist Dein, wenn du’s dir
leisten kannst“, und legte seine aufgequollenen Finger auf die Tasten. Nach
einem halbherzigen Flohwalzer, bei dem er sich noch recht fehl am Platz vorkam,
begann er jedoch Gefallen daran zu finden. Endlich konnte er spielen, worauf er
Lust hatte, war nicht mehr an das Programm einer Bigband oder die Wünsche einer
Hochzeitsgesellschaft gebunden, musste nicht unter den missbilligenden Blicken
schmieriger Typen oder dem aufgesetzten Lächeln reicher Tussis spielen...
Endlich konnte er seiner Laune und Imagination freien Lauf lassen. Denn die
Menschen um ihn herum, und es waren viele, Unzählige, alle Einkommensklassen,
Hautfarben, Konfektionsgrößen, den Menschen war es schlicht und einfach
scheißegal. Und genau das war das Geniale daran, an einem Flughafen Klavier zu
spielen. Wer auch immer diese Idee hatte, dachte er, muss brillant gewesen
sein. Die Reisenden rannten in weißen Turnschuhen durch die Terminals, um ihren
Anschlussflug zu erreichen, schleppten sperrige Koffer, blickten verwirrt durch
die Gegend, weinten nach herzzerreißenden Abschieden oder hörten gerade aus
übergroßen Kopfhörern ein Hörbuch auf ihren I-Phones. Das Klavier und er waren
nur ein austauschbarer Teil des Inventars, waren Hintergrund-Klimbim. Junge
Frauen, die ihre Flugangst vergessen wollten, indem sie sich auf dem
Flughafenklo vergeblich in Autogenem Training versuchten, waren die einzigen,
die kurz inne hielten, ihn hilfesuchend anlächelten und sogleich im nächsten
Flieger nach New York oder Moskau oder Tokio verschwanden. Nur er kam jeden
Tag. Und spielte.
Delhi.
Rush Hour.
-
Prepare for pushing, guys – says our Indian friend and nods with great expectation.
He just picked us up from the airport and is about to show us the New Delhi
metro on a hot February noon. We are numb from the jet-lag and the heat
prickles our German winter skin. As the lines form, under the strict
surveillance of Sikh policemen with great beards and turbans, I realize that I
am the only woman in the line. The Indian men, all of them smaller than me,
return my gaze with great delight, eye-balls widening, white teeth shining in
contrast to their dark skin and dirty faces.
-
You know, guys, later we can see the Delhi Metro Museum.
It is the only museum about Metro Railway in the entire South Asian region…
As I imagine how it must be to visit a museum just about public
transport, the pushing begins. A metro has arrived and before the people from
inside have had the slightest chance to get out, I feel bodies pushing against
me. The fight for survival can begin. Anonymous hands touch my hips and the
curve of my bottom as I struggle to stay near my friends, reach the metro and
not lose my bag or even my entire arm. The Indian men laugh. It smells like
sweat, shit and spices. Welcome to India, guys.
Ciudad de México.
The
Indian mother is about to enter the metro in Coyoacán, the Coyotes’ place. This
is Mexico: warm, colorful, literature and bookstores everywhere, Frida Kahlo…
She imagines that she might have been a Mexican in one of her earlier lives.
Everything seems so familiar, so right. But still, she cannot help but feel a
little fear as she gets into the line to wait for the metro. Rush Hour. She has
already spent too much time in crammed metros, has been pushed and bruised and
touched in ways she does not like to remember.
The
metro is jammed, hot and sticky. A young bare-chested man with starry eyes
throws himself onto a carpet of broken glass. He sells ridiculous candy bars
and his pain for ridiculously little money. As the Indian mother holds tight to
her bulky backpack, trying not to stumble or fall, her daughter tells her to
prepare: “We will get off at the next stop. Get ready to work your way to the
exit.”
The
mother takes a deep breath, one, two, three, and then she starts pushing. The
pushing is in vain, too many people around her, too little strength she has. But
suddenly, before panic can arise, she hears a woman by her side, a soft voice:
“No se preocupe, señora, nosotras también tenemos que bajar en la siguiente
parada.” A small Indian woman, American Indian, smiles at the mother. Maybe we really are part of one
family.
Sie war eine normale Frau,
durchschnittlich eben. Mitte Zwanzig, Straßenköterblond, Studentin – irgendwas
mit Medien – und Single. Gelegenheitsraucherin und je nach Laune Flexitarierin.
Sexuell hatte sie keine
ungewöhnlichen Fetische, das beruhigte sie und so genoss sie es, ohne jegliches
schlechtes Gewissen, nachts lange aufzubleiben und 50 Shades of Grey zu lesen. Sie war eben ganz normal. Durchschnitt.
Doch sie hatte eine ganz besondere
Vorliebe, die sie meinte, mit niemandem auf der Welt zu teilen. Eine Vorliebe
für die U-Bahn. Um eine Stadt richtig kennenzulernen, zu spüren, von anderen
Großstädten zu unterscheiden, war es notwendig, mit der U-Bahn zu fahren. „Vergiss
die Monumente und Museen, geh in die Metro“, hatte sie mal zu ihrem Ex-Freund
gesagt.
Und so tat sie es, egal wo sie
war.
In London flüsterte sie leise „Mind the gap“.
In Mexiko-Stadt folgte sie mit dem Zeigefinger der Route, die sie
gefahren war, auf einer der aushängenden bunten Linienpläne. Jede Metro-Station
hat neben einem Namen ein knalliges piktographisches Symbol, damit auch Analphabeten
ihren Weg finden, von Touristen ganz zu schweigen – Kunst zum Überleben, Kunst
für den Alltag, Kunst in der Stadt.
In Medellín schwebte sie über den Schluchten der Slums und fühlte sich
als Favela-Touristin ertappt, während sie sich vorstellte, wie unter ihr der
Drogenkrieg tobte. Und wie der Blick von oben neue Wege möglich macht für die
Bewohner, die ihr Leben lang nicht durch verfeindete Viertel fahren konnten.
Nun also per Metrocable, Schwebebahn. Eine Stadt wie aus roten Legosteinen
gebastelt, improvisiert und kurz davor, über die Grenzen der sie umrandenden
Berge zu schwappen. Du bist so klein in der Stadt, die nie schläft. Aber von
oben sieht alles ganz harmlos aus.
In Berlin fragte sie sich jedes Mal, wieso das Bild des Brandenburger
Tors, das alle Fenster der U-Bahnen schmückte, einen optischen Fehler hatte. Die
zwei Säulen sind schief! Knick in der Optik, falsche Perspektive… Fällt das denn
den durch Drogen entgleisten Hipstern mit Jutebeutel gar nicht auf? Ob sich der
Architekt wohl jedes Mal ärgert, wenn er eine U-Bahn betritt? Ob er deswegen
wohl aus Berlin weggezogen ist, in eine Kleinstadt ganz ohne Bahn?
Ode to a Supermarket
Long, slender aisles,
Sleek and shiny floor,
Your red tasty apples
Just make me want more.
You've got what I need,
For my dreams and fears:
Bad hair-days, breakups,
College parties or tears.
Oh supermarket,
It's just so much fun
To meet a real redneck
Who's buying a gun.
You bring us together,
The rich and the poor.
We all are the insects
Your neon lights lure.
Stop'n'Shop, SevenEleven...
Too many stores to count.
I'm haunted by your presence,
You'll always be around.
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